Kaiserslautern, 06.07.2022
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
seit dem 24. Februar 2022 herrscht in Europa wieder Krieg.
Der russische Überfall auf die Ukraine ist ohne Frage eine Zeitenwende. Zwar
ist der von Russland selbst und vielen Beobachtern erwartete dreitägige
Blitzkrieg grandios gescheitert. Angesichts der zähen Frontsituation im Donbas
und im Süden des Landes muss man sich nun jedoch auf einen langfristigen Krieg
einstellen, dessen Auswirkungen auch in Deutschland immer stärker zu spüren
sein werden.
Ich befürchte daher, uns werden zunehmend schwierige Zeiten
bevorstehen. Russland spielt schon jetzt ein perfides Spiel auf mehreren
Ebenen, durch Blockade der Getreideexporte aus der Ukraine mit weitreichenden
Folgen für den globalen Süden, vor allem aber durch die Kontrolle der Gaszufuhr
nach Europa. Die Belastungen für die Bevölkerung, die unmittelbar mit dem Krieg
zusammenhängen, sind schon jetzt eindeutig spürbar. Es ist zu erwarten, dass sich
dies im Laufe der nächsten Monate noch deutlich verstärken wird, insbesondere
dann, wenn kein Gas mehr aus Russland nach Deutschland fließen sollte und die
Heizperiode beginnt.
Was genau passieren wird, ist schwer zu prognostizieren. Die
Bundespolitik arbeitet gerade mit Hochdruck an Anpassungen, durch die die
schlimmsten Szenarien verhindert werden sollen. Unumgänglich scheint aber, dass
wir uns auf weitere massive Preiserhöhungen auf dem Energiesektor werden
einstellen müssen. Ich muss Sie also bitten, sich darauf vorzubereiten. Legen
Sie, wenn es Ihnen möglich ist, für den Winter etwas Geld zurück oder erhöhen
Sie Ihre Abschlagszahlungen.
Mein eindringlicher Appell lautet: Sparen Sie bitte schon
jetzt Energie, wo es nur möglich ist. Nicht nur Gas, sondern auch Strom, Benzin
und Öl. Alles, was wir jetzt sparen, kommt uns im Winter zu Gute. Als Stadt
gehen wir da mit gutem Beispiel voran. In der kommenden Ratssitzung werden wir
dem Rat einen tiefgreifenden und einschneidenden Energiesparplan für die städtischen
Gebäude zum Beschluss vorlegen.
Realistisch betrachtet werden die Versorgungsengpässe im
Energiesektor einige Jahre anhalten. Dem Gas und den anderen fossilen
Energieträgern gehört die Zukunft sicher nicht. Das verbietet allein schon der
Klimawandel. Gasimporte aus anderen Ländern sind eine teure und teilweise auch
politisch fragwürdige Alternative für die Übergangszeit, die wir uns aber auf
Dauer nicht leisten können und sollten. Und ein weiter betriebener Gashandel
mit Russland ist unter dem aktuellen politischen Regime moralisch eigentlich
nicht vertretbar – ganz egal wie der Krieg in der Ukraine enden mag.
Die Lösung kann nur in den erneuerbaren Energien liegen.
Deren jahrzehntelang versäumter Ausbau soll nun endlich beschleunigt werden,
wird aber Jahre in Anspruch nehmen. Dieser Aufgabe werden wir uns auch als
Stadt stellen. Und ja, ich weiß, Windräder sind keine Schönheit. Ohne sie wird
es jedoch nicht gehen. Anlieger und Interessensverbände, die Windräder
jahrelang erfolgreich verhindert haben, sind daher alle gefordert, über ihren Schatten
zu springen. Die Diskussion um die Standorte muss neu beginnen, auch in
Kaiserslautern.
Die Lösung kann sicherlich nicht darin liegen – und diese
Stimmen werden sich in den kommenden Monaten leider mehren! – zum Status Quo
mit Russland vor dem 24. Februar zurückzukehren. Wie lange der Krieg andauern
wird, wann es zu Waffenstillstands- oder gar Friedensverhandlungen kommt,
bestimmt allein die Ukraine. Dafür ist es jedoch zu früh. Ziel der Ukraine muss
es sein, den Aggressor so weit wie irgend möglich aus dem eigenen Land zu
vertreiben. Nur so kann verhindert werden, dass weite Teile des Landes
dauerhaft unter russische Herrschaft geraten und damit massiven Repressalien
ausgesetzt sind. Und nur so kann verhindert werden, dass Russland gestärkt und als
moralischer Sieger aus dem Krieg hervorgeht, sich in seinem Vorgehen bestätigt
sieht und weitere der bereits angekündigten Eroberungsfeldzüge in die Tat
umsetzt. Russland spricht offen davon, die Ukraine als Staat und Identität
auslöschen zu wollen, weitere Länder werden offen bedroht und können als
nächste Ziele gelten, wenn der Angriff auf die Ukraine erfolgreich verläuft.
Das zu verhindern ist nicht nur im Interesse der Ukraine, sondern ganz Europas.
Der Krieg in der Ukraine hat aber noch eine weitere Ebene.
Er ist auch ein Krieg der Informationsbeherrschung. Russische und prorussische
Medien und Medienaktivisten versuchen bewiesenermaßen seit Jahren, die
Tatsachen im Sinne der russischen Sache bewusst zu verdrehen. Manche davon auf
so haarsträubend falsche Art und Weise, dass es fast schon zum Lachen wäre,
wenn das Thema nicht so ernst wäre. Leider ist dies aber die Ausnahme, die
meisten prorussischen Botschaften sind deutlich subtiler versteckt. Und leider
veröffentlicht auch die ukrainische Seite immer wieder Informationen, die sich
als falsch herausstellen, bewusst oder unbewusst. An der Stelle daher erneut
eine Bitte: Passen Sie auf, wo Sie sich über den Krieg informieren. Das gilt
insbesondere bei Social-Media-Kanälen. Ich lege Ihnen hierzu einen FAQ ans
Herz, den das Innenministerium kürzlich veröffentlicht hat (s.u.).
Als Stadt Kaiserslautern distanzieren wir uns ausdrücklich von allen Meinungsäußerungen, die das russische Handeln zu relativieren versuchen. Die Stadt Kaiserslautern steht auch weiterhin fest an der Seite der Ukraine.
Ihr
Dr. Klaus Weichel
Oberbürgermeister der Stadt Kaiserslautern
Weitere Informationen
Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat einen
umfangreichen FAQ zum Thema „Desinformation im Kontext des russischen
Angriffskriegs gegen die Ukraine“ veröffentlicht. Darin wird erläutert, was
Desinformation ist, wie sie verbreitet wird und welche Narrative im
Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg vorrangig erzählt werden. Der FAQ ist ab
sofort im Ukraine-Bereich auf der städtischen Homepage (www.kaiserslautern.de/ukraine )
hinterlegt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen