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Dienstag, 14. Juni 2022

Gemeinsam mit Russland entscheiden: ein Dilemma in der OSZE

IFSH-Kurzanalyse von Dr. habil. Cornelius Friesendorf und Prof. Dr. Stefan Wolff


„Damit die OSZE den Ukrainekrieg überlebt, müssen die Teilnehmerstaaten bereit sein, gemeinsam zu entscheiden, ohne Russland auf Kosten der territorialen Integrität der Ukraine zu rehabilitieren.” (Cornelius Friesendorf, Stefan Wolff)


Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist eines der letzten Foren, in denen die Vertreter:innen Russlands und westlicher Staaten regelmäßig zusammenkommen. Die OSZE vermittelt in Territorialkonflikten, etwa in Berg-Karabach und in Transnistrien. Sie betreibt Feldmissionen, die auf dem Balkan, in Osteuropa und Zentralasien Reformen vorantreiben. Auch hilft die OSZE dabei, Menschenrechte, Pressefreiheit und nationale Minderheiten zu schützen. Darüber hinaus hat die Organisation in besseren Zeiten wesentlich zur konventionellen Rüstungskontrolle und militärischen Vertrauensbildung beigetragen und sie hilft Staaten, gemeinsam gegen Probleme wie Terrorismus und Korruption vorzugehen.


Der Ukrainekrieg stellt insbesondere westliche Demokratien nun aber vor ein Dilemma. Einerseits müssen alle 57 Teilnehmerstaaten Entscheidungen im Einvernehmen treffen. Sollte etwa westliche Staaten zusammen mit der Ukraine dieses Konsensprinzip verletzen, würde Moskau mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ende der OSZE verkünden. Andererseits könnten Konsensentscheidungen als Übergang zur Tagesordnung und somit als Rehabilitation Russlands auf Kosten der territorialen Integrität der Ukraine interpretiert werden.


Schon bald werden Staaten mit diesem Dilemma umgehen müssen. Bis Jahresende müssten sie einen Haushalt für 2022 beschließen, ohne den weder das Sekretariat noch Einrichtungen wie das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte effektiv arbeiten können. In der zweiten Jahreshälfte müssen zudem die Mandate und Budgets vieler Feldmissionen verlängert werden. Darüber hinaus müssen sich die Teilnehmerstaaten auf einen Vorsitzstaat für 2024 einigen, nachdem Russland sich gegen Estland ausgesprochen hatte.


Ende Juni läuft das Mandat des OSZE-Projektkoordinators in der Ukraine aus, seine Verlängerung ist daher dringend. Russland hatte Ende März die Fortsetzung einer anderen Ukraine-Feldoperation abgelehnt, der Sonderbeobachtungsmission (SMM). Es wäre tragisch, wenn die OSZE in der Ukraine schon bald keine Feldpräsenz mehr hätte – angesichts der vielen aktuellen und zukünftigen Probleme dort und der Expertise der OSZE beim Konfliktmanagement.


Ebenso ungewiss ist, ob sich die Teilnehmerstaaten darauf einigen können, in diesem Jahr wieder die größte Menschenrechtskonferenz in Europa abzuhalten. Das Human Dimension Implementation Meeting konnte  bereits in den vergangenen beiden Jahren nicht stattfinden – 2020 pandemiebedingt und 2021 wegen des russischen Widerstands. Sollte die Veranstaltung erneut ausfallen, wäre sie wohl Geschichte; viele Aktivist:innen hätten ein Forum weniger, um sich auszutauschen und der OSZE ihre Anliegen vorzutragen.


Alle diese Entscheidungen brauchen die Zustimmung Moskaus. Darüber hinaus müssen sie vorbereitet werden – insbesondere durch die Moderation Polens, das dieses Jahr den OSZE-Vorsitz innehat. Polen hatte schon lange vor einer aggressiven russischen Expansionspolitik gewarnt und unterstützt die Ukraine nun tatkräftig. Polnische Diplomat:innen stehen jetzt vor dem Dilemma, mit Russland Kompromisse ausloten zu müssen, da Polen als Vorsitzstaat die Zukunft der Organisation im Blick haben sollte.


Ein pragmatischer Umgang mit diesem Dilemma könnte bedeuten, dass Teilnehmerstaaten den russischen Angriffskrieg weiterhin auf das Schärfste verurteilen, aber bereit sind, gemeinsam mit Russland über zentrale Fragen zum Weiterbetrieb der Organisation – insbesondere den Haushalt – zu entscheiden. So könnte die OSZE erhalten werden. Dies ist im vitalen Interesse einer europäischen Sicherheitsordnung, in der Dialog und Multilateralismus Abschreckung und Verteidigung ergänzen –  insbesondere für die Zeit nach einem Regierungswechsel in Russland.


Dr. habil. Cornelius Friesendorf ist Leiter des Zentrums für OSZE-Forschung (CORE) am IFSH). Professor Dr. Stefan Wolff lehrt Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik an der Universität Birmingham, Großbritannien.


https://ifsh.de/news-detail/gemeinsam-mit-russland-entscheiden-ein-dilemma-in-der-osze

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Gedanken zu Krieg und Frieden in Gedichten

Gedanken zu Krieg und Frieden in Gedichten

Lesja Ukrainka „Hoffnung“

Kenn weder die Freiheit noch Freude und Glück, Im Herzen blieb mir nur die Hoffnung zurück. Die Heimat noch einmal wiederzusehen, Wo Winde und Stürme die Hüttenumwehen, Zu sehen den Dneper durchbrausen die Ferne – Ach, leben und sterben möcht‘ ich dort so gerne, – Die Steppen zu sehen, der Trauben Geranke Und dort auch zu denken den letzten Gedanken. Kenn weder die Freiheit noch Freunde und Glück, Im Herzen blieb mir nur die Hoffnung zurück. Lutzk, 1880

Der höhere Friede

Wenn sich auf des Krieges Donnerwagen Menschen waffnen, auf der Zwietracht Ruf, Menschen, die im Busen Herzen tragen, Herzen, die der Gott der Liebe schuf: Denk' ich, können sie doch mir nichts rauben, Nicht den Frieden, der sich selbst bewährt, Nicht die Unschuld, nicht an Gott den Glauben, Der dem Hasse wie dem Schrecken wehrt; Nicht des Ahorns dunkelm Schatten wehren, Daß er mich im Weizenfeld erquickt, Und das Lied der Nachtigall nicht stören, Die den stillen Busen mir entzückt. Heinrich von Kleist (1777 - 1811)

Contra Spem Spero. "Gegen die Hoffnung hoffe ich"

O fort mit dir, herbstliches Klagen! Die Tage des Frühlings beginnen! Soll denn in Verzweiflung Verzagen Die sonnige Jugend zerrinnen? Ich will aber Frohsinn, nicht Beben, Mein Lied soll im Unglück ertönen, Auch hoffnungslos hoff ich im Leben, - O fort mit Euch, Ächzen und Stöhnen! Ich pflanze auf steinigem Felde Viel Blumen, die rot sind und weiß, Ich pflanze bei frostiger Kälte Sie alle auf Schnee und auf Eis. Mit heißen Tränen begieße Ich sie bei klirrendem Frost, Das Eis zergeht, vielleicht sprießen Sie doch auf, und das ist mein Trost. Ich schleppe aufs steilste Gebirge Viel klobige Steine und singe, Sonst würden die Schreie mich würgen, Die in die Kehle mir dringen. Ich schließe die Augen auch nimmer Und schaue ins Dunkel ganz wach, Ich suche des Sternes Erschimmern, Des Königs der finsteren Nacht. Drum will ich stets Frohsinn, nicht Beben, Mein Lied soll im Unglück ertönen, Auch hoffnungslos hoff ich im Leben, - O fort mit Euch, Ächzen und Stöhnen! Lesja Ukrajinka (Pseudonym) *25.02.1871 - † 01.08.1913 (Übersetzerin Jona Gruber)

Der Antritt des neuen Jahrhunderts

Edler Freund! Wo öffnet sich dem Frieden, Wo der Freiheit sich ein Zufluchtsort? Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden, Und das neue öffnet sich mit Mord. Und das Band der Länder ist gehoben, Und die alten Formen stürzen ein; Nicht das Weltmeer hemmt des Krieges Toben, Nicht der Nilgott und der alte Rhein. Zwo gewaltge Nationen ringen Um der Welt alleinigen Besitz, Aller Länder Freiheit zu verschlingen, Schwingen sie den Dreizack und den Blitz. Gold muß ihnen jede Landschaft wägen, Und wie Brennus in der rohen Zeit Legt der Franke seinen ehrnen Degen In die Waage der Gerechtigkeit. Seine Handelsflotten streckt der Brite Gierig wie Polypenarme aus, Und das Reich der freien Amphitrite Will er schließen wie sein eignes Haus. Zu des Südpols nie erblickten Sternen Dringt sein rastlos ungehemmter Lauf, Alle Inseln spürt er, alle fernen Küsten – nur das Paradies nicht auf. Ach umsonst auf allen Länderkarten Spähst du nach dem seligen Gebiet, Wo der Freiheit ewig grüner Garten, Wo der Menschheit schöne Jugend blüht. Endlos liegt die Welt vor deinen Blicken, Und die Schiffahrt selbst ermißt sie kaum, Doch auf ihrem unermeßnen Rücken Ist für zehen Glückliche nicht Raum. In des Herzens heilig stille Räume Mußt du fliehen aus des Lebens Drang, Freiheit ist nur in dem Reich der Träume, Und das Schöne blüht nur im Gesang. Friedrich von Schiller (1759 - 1805).

Aus dem Zyklus "Melodien" von Lesja Ukrajinka

Verbrenne mein Herz, Yogo hat Feuer gelegt Es tut mir leid für die heiße Iskra des Stocks. Warum weine ich nicht? Mit klarer sloz Warum werde ich keine schreckliche Mode gießen? Meine Seele weint, meine Seele ist zerrissen, Dass Slyosi nicht in einem reißenden Strom eilen Erreiche meine Augen nicht, wenn du schläfst, Bo trocken їkh fest in einem Feuer entzünden. Ich möchte auf ein sauberes Feld gehen, Leg dein Gesicht auf die graue Erde І so zaridati, so morgens pochuli, Schaob-Leute zhahhivshis auf meinen. *** Mein Herz brennt - ein heißer Funke Sorgen leuchteten auf, versengten mich. Also, warum weine ich nicht, was ist mit Tränen? Ich habe es nicht eilig, sie mit bösem Feuer zu füllen? Meine Seele weint in unausweichlicher Sehnsucht, Aber Tränen fließen nicht in einem lebendigen Strom, Brennende Tränen erreichen die Augen nicht, Der Kummer entwässert sie mit seiner Hitze. Ich möchte hinaus ins freie Feld, Auf den Boden kauern, um sich daran zu kuscheln Und schluchz, damit die Sterne hören Damit die Welt von meiner Traurigkeit entsetzt ist. Übersetzung von V. Zvyagintseva

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