+++ Dieser Text wurde am 13. Juni 2022 um 18:21 Uhr aktualisiert. +++
Russische Truppen haben in der ukrainischen Stadt Charkiw durch wahllosen Beschuss mit weithin verbotener Streumunition und mit ungelenkten Raketen auf Wohngebiete hunderte Zivilist*innen getötet. Dies stellt Amnesty International in einem neuen Bericht mit dem Titel "'Anyone can die at any time': Indiscriminate attacks by Russian forces in Kharkiv, Ukraine", fest.
Durch umfassende Recherche fand Amnesty International Beweise dafür, dass russische Truppen wiederholt Streumunition des Typs 9N210/9N235 sowie Streuminen eingesetzt haben – beide sind völkerrechtlich verboten.
Janine Uhlmannsiek, Amnesty-Expertin für Europa und Zentralasien bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "In Charkiw wurden Menschen in ihren Häusern und auf der Straße getötet, während sie mit ihren Kindern Spielplätze besuchten, auf Friedhöfen ihrer Angehörigen gedachten, beim Anstehen für Hilfslieferungen oder beim Einkaufen. Es ist schockierend, dass die russischen Truppen wiederholt Streumunition in Wohngebieten eingesetzt haben. Die Verantwortlichen für diese Angriffe müssen vor Gericht gestellt und die Verletzten sowie die Angehörigen der Opfer müssen entschädigt werden."
Der Leiter der medizinischen Abteilung der militärischen Regionalverwaltung in Charkiw sagte Amnesty International, dass in der Region Charkiw seit Ausbruch des Konflikts 606 Zivilpersonen getötet und 1.248 verletzt wurden. Die meisten der von Amnesty International untersuchten Angriffe führten zu zahlreichen Todesopfer in einem jeweils großen Radius.
Russland ist weder dem Übereinkommen über Streumunition noch dem Antipersonenminen-Übereinkommen beigetreten, doch das humanitäre Völkerrecht verbietet sowohl wahllose Angriffe als auch den Einsatz von Waffen, die ihrer Natur nach unterschiedslos Kombattant*innen wie Zivilist*innen treffen. Wahllose Angriffe, die zu Toten oder Verletzten in der Zivilbevölkerung führen oder zivile Objekte beschädigen, sind als Kriegsverbrechen zu betrachten.
Spielplätze unter Beschuss
Die 1,5-Millionen-Stadt Charkiw wird seit dem 24. Februar, dem ersten Tag der russischen Invasion gegen die Ukraine, bombardiert.
Am Nachmittag des 15. April beschossen russische Truppen etwa die Gegend um die Myru-Straße im Bezirk Industrialnyi mit Streumunition. Mindestens neun Zivilpersonen wurden dabei getötet und mehr als 35 verletzt, darunter auch mehrere Kinder. Ärzt*innen der Stadtklinik Nr. 25 in Charkiw zeigten Amnesty International Metallsplitter, die sie aus dem Körper ihrer Patient*innen entfernt hatten; einige davon konnten eindeutig Streumunition vom Typ 9N210/9N235 zugeordnet werden. Researcher von Amnesty International haben auf einem Spielplatz in der Nähe zudem Metallteile und andere Bestandteile gefunden, die eindeutig von diesem Typ stammen.
Als meine Tochter ihre Mutter in einer Blutlache am Boden liegen sah, sagte sie zu mir: 'Lass uns nach Hause gehen. Mama ist tot und die Leute sind tot.'
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