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Dienstag, 21. Juni 2022

Amnesty in Deutschland: BEST PRACTICE FÜR ALLE


Eine Mutter mit ihren beiden Kindern läuft eine Straße entlang; sie läuft neben der Straße, wo das Gras trocken und platt getrampelt ist, die Kinder laufen auf der Straße und ziehen kleine Rollkoffer hinter sich her.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union behandeln Kriegsflüchtlinge unterschiedlich. ­Warum ist das so? Und was ließe sich daran ändern?

Ein Kommentar von Franziska Vilmar

Als am 24. Februar der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine erfolgte, zögerten die Staats- und Regierungschef*innen der EU nicht lange. Nur eine Woche später beschlossen sie einstimmig und unter Verweis auf die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz aus dem Jahr 2001, die Aufnahme von Flüchtenden in Europa gemeinsam zu regeln. Auch Länder wie Polen und Ungarn hielten plötzlich ihre Grenzen offen und bekannten sich solidarisch und in überraschender Deutlichkeit zum Flüchtlingsschutz.

Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits mehr als eine Million Menschen die Ukraine verlassen. Die Geflüchteten erhielten Freifahrten mit der Bahn, durften sich das Land ihrer Wahl aussuchen und konnten wählen, ob sie privat unterkommen oder ein staatliches Unterkunftsangebot annehmen wollten. In polnischen Grenzstädten und an Bahnhöfen vieler europäischer Städte halfen Freiwillige den Ankommenden – überwiegend Frauen und Kinder – bei der Orientierung, dem Transport und der Unterbringung. Wo es ging, wurden Russischkenntnisse reaktiviert.

Bereits Ende März erklärte auch die Bundesregierung, Ukrainer*innen möglichst schnell und dauerhaft in den Arbeitsmarkt integrieren und dafür die ­Anerkennung von Berufsabschlüssen ­beschleunigen zu wollen. Kurz darauf wurde beschlossen, dass zum vorläufigen Schutz, der vorerst auf zwei Jahre begrenzt ist, auch der Zugang zu SGB II-Leistungen gehört. Ukrainer*innen erhalten seit dem 1. Juni wie deutsche Staatsbürger*innen eine Grundsicherung und nicht die geringeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen, wäre ein erster richtiger Schritt.

Wenngleich sich die im Flüchtlings­bereich aktiven Organisationen über Pragmatismus, Tempo und Aufnahmewillen europäischer Regierungen im Hinblick auf Geflüchtete freuen, so stellen sich auch Fragen: Warum bekommen nur Ukrainer*innen diese Vergünstigungen und nicht alle Drittstaatsangehörige aus der Ukraine oder, noch besser, alle Kriegsflüchtlinge? Handelt es sich dabei um Rassismus? Und warum hat man die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz nicht 2015/16 angewandt, als Syrer*innen und Afghan*innen in der EU Schutz suchten, wie Amnesty International es seinerzeit forderte? Wenn die polnische Regierung sich nun zum Flüchtlingsschutz bekennt, warum gibt es unverändert gewaltsame Pushbacks gegen Schutzsuchende an der polnischen Grenze zu Belarus?

Aus guten Gründen liegt die Haupt­zuständigkeit der Flüchtlingsaufnahme (zunächst) in der unmittelbaren Nachbarregion des Staats, in dem ein Konflikt ausbricht. Wer sich Hals über Kopf in Sicherheit bringt, hofft oft, bald wieder heimkehren zu können. So sind auch die EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Ukraine zuständig für die inzwischen über 6,5 Millionen Geflüchteten.

Im Konflikt in Syrien hat Amnesty ­immer wieder Nachbarstaaten wie den ­Libanon oder Jordanien aufgefordert, ihre Grenzen offenzuhalten. Wegen familiärer, freundschaftlicher und kultureller Verbindungen zwischen angrenzenden Ländern identifiziert sich die Bevölkerung auch stärker mit den Leidtragenden. Diese Identifikation darf aber keine Leitlinie politischen Handelns sein. Die Rechte aus der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und auch aus dem europäischen Asylsystem gelten unterschiedslos für jede Person, die Schutz sucht.

Nichts spricht dagegen und alles ­dafür, positive Erfahrungen mit europa­weiter Solidarität, Unterstützung bei der Orientierung von Geflüchteten, Verständnis für die Situation von Betroffenen völkerrechtswidriger Invasionen und schneller Integration in den Arbeitsmarkt über den Kontext des Ukraine-Krieges hinaus anzuwenden. Das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen, wäre ein erster richtiger Schritt.

Franziska Vilmar ist Fachreferentin für Asylrecht und -politik bei Amnesty in Deutschland.

https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/migration-weltfluechtlingstag-eu-politik-kommentar

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Gedanken zu Krieg und Frieden in Gedichten

Gedanken zu Krieg und Frieden in Gedichten

Lesja Ukrainka „Hoffnung“

Kenn weder die Freiheit noch Freude und Glück, Im Herzen blieb mir nur die Hoffnung zurück. Die Heimat noch einmal wiederzusehen, Wo Winde und Stürme die Hüttenumwehen, Zu sehen den Dneper durchbrausen die Ferne – Ach, leben und sterben möcht‘ ich dort so gerne, – Die Steppen zu sehen, der Trauben Geranke Und dort auch zu denken den letzten Gedanken. Kenn weder die Freiheit noch Freunde und Glück, Im Herzen blieb mir nur die Hoffnung zurück. Lutzk, 1880

Der höhere Friede

Wenn sich auf des Krieges Donnerwagen Menschen waffnen, auf der Zwietracht Ruf, Menschen, die im Busen Herzen tragen, Herzen, die der Gott der Liebe schuf: Denk' ich, können sie doch mir nichts rauben, Nicht den Frieden, der sich selbst bewährt, Nicht die Unschuld, nicht an Gott den Glauben, Der dem Hasse wie dem Schrecken wehrt; Nicht des Ahorns dunkelm Schatten wehren, Daß er mich im Weizenfeld erquickt, Und das Lied der Nachtigall nicht stören, Die den stillen Busen mir entzückt. Heinrich von Kleist (1777 - 1811)

Contra Spem Spero. "Gegen die Hoffnung hoffe ich"

O fort mit dir, herbstliches Klagen! Die Tage des Frühlings beginnen! Soll denn in Verzweiflung Verzagen Die sonnige Jugend zerrinnen? Ich will aber Frohsinn, nicht Beben, Mein Lied soll im Unglück ertönen, Auch hoffnungslos hoff ich im Leben, - O fort mit Euch, Ächzen und Stöhnen! Ich pflanze auf steinigem Felde Viel Blumen, die rot sind und weiß, Ich pflanze bei frostiger Kälte Sie alle auf Schnee und auf Eis. Mit heißen Tränen begieße Ich sie bei klirrendem Frost, Das Eis zergeht, vielleicht sprießen Sie doch auf, und das ist mein Trost. Ich schleppe aufs steilste Gebirge Viel klobige Steine und singe, Sonst würden die Schreie mich würgen, Die in die Kehle mir dringen. Ich schließe die Augen auch nimmer Und schaue ins Dunkel ganz wach, Ich suche des Sternes Erschimmern, Des Königs der finsteren Nacht. Drum will ich stets Frohsinn, nicht Beben, Mein Lied soll im Unglück ertönen, Auch hoffnungslos hoff ich im Leben, - O fort mit Euch, Ächzen und Stöhnen! Lesja Ukrajinka (Pseudonym) *25.02.1871 - † 01.08.1913 (Übersetzerin Jona Gruber)

Der Antritt des neuen Jahrhunderts

Edler Freund! Wo öffnet sich dem Frieden, Wo der Freiheit sich ein Zufluchtsort? Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden, Und das neue öffnet sich mit Mord. Und das Band der Länder ist gehoben, Und die alten Formen stürzen ein; Nicht das Weltmeer hemmt des Krieges Toben, Nicht der Nilgott und der alte Rhein. Zwo gewaltge Nationen ringen Um der Welt alleinigen Besitz, Aller Länder Freiheit zu verschlingen, Schwingen sie den Dreizack und den Blitz. Gold muß ihnen jede Landschaft wägen, Und wie Brennus in der rohen Zeit Legt der Franke seinen ehrnen Degen In die Waage der Gerechtigkeit. Seine Handelsflotten streckt der Brite Gierig wie Polypenarme aus, Und das Reich der freien Amphitrite Will er schließen wie sein eignes Haus. Zu des Südpols nie erblickten Sternen Dringt sein rastlos ungehemmter Lauf, Alle Inseln spürt er, alle fernen Küsten – nur das Paradies nicht auf. Ach umsonst auf allen Länderkarten Spähst du nach dem seligen Gebiet, Wo der Freiheit ewig grüner Garten, Wo der Menschheit schöne Jugend blüht. Endlos liegt die Welt vor deinen Blicken, Und die Schiffahrt selbst ermißt sie kaum, Doch auf ihrem unermeßnen Rücken Ist für zehen Glückliche nicht Raum. In des Herzens heilig stille Räume Mußt du fliehen aus des Lebens Drang, Freiheit ist nur in dem Reich der Träume, Und das Schöne blüht nur im Gesang. Friedrich von Schiller (1759 - 1805).

Aus dem Zyklus "Melodien" von Lesja Ukrajinka

Verbrenne mein Herz, Yogo hat Feuer gelegt Es tut mir leid für die heiße Iskra des Stocks. Warum weine ich nicht? Mit klarer sloz Warum werde ich keine schreckliche Mode gießen? Meine Seele weint, meine Seele ist zerrissen, Dass Slyosi nicht in einem reißenden Strom eilen Erreiche meine Augen nicht, wenn du schläfst, Bo trocken їkh fest in einem Feuer entzünden. Ich möchte auf ein sauberes Feld gehen, Leg dein Gesicht auf die graue Erde І so zaridati, so morgens pochuli, Schaob-Leute zhahhivshis auf meinen. *** Mein Herz brennt - ein heißer Funke Sorgen leuchteten auf, versengten mich. Also, warum weine ich nicht, was ist mit Tränen? Ich habe es nicht eilig, sie mit bösem Feuer zu füllen? Meine Seele weint in unausweichlicher Sehnsucht, Aber Tränen fließen nicht in einem lebendigen Strom, Brennende Tränen erreichen die Augen nicht, Der Kummer entwässert sie mit seiner Hitze. Ich möchte hinaus ins freie Feld, Auf den Boden kauern, um sich daran zu kuscheln Und schluchz, damit die Sterne hören Damit die Welt von meiner Traurigkeit entsetzt ist. Übersetzung von V. Zvyagintseva

Politische Ideen I

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