Der Generalsekretär
Bemerkungen an die Presse
zum Osterappell für die Ukraine
New York, 19. April 2022
In fünf Tagen feiern die Menschen in der Ukraine und Russland das Osterfest. Dieser Feiertag wird von den orthodox-gläubigen Christinnen und Christen in beiden Ländern ebenso wie von den katholischen Gläubigen in der Ukraine begangen.
Die Osterzeit ist eine Zeit der Erneuerung, der Auferstehung und der Hoffnung.
Sie ist eine Zeit des Nachdenkens über die Bedeutung von Leid, Opfer, Tod – und Wiedergeburt.
Sie soll ein Moment der Einigkeit sein.
In diesem Jahr aber steht die Karwoche im Schatten eines Krieges, der eine völlige Verneinung der Osterbotschaft darstellt.
Anstatt mit dem Fest eines neuen Lebens fällt Ostern diesmal mit einer russischen Offensive in der Ostukraine zusammen.
Die starke Konzentration von Truppen und Kriegsgerät macht diesen Kampf zwangsläufig gewaltsamer, blutiger und zerstörerischer.
Die bisherigen Angriffe auf die Zivilbevölkerung und die schrecklichen Verluste, die sie erlitten hat, könnten nur ein blasser Vorbote des Horrors sein, der uns droht.
Dazu darf es nicht kommen.
Hunderttausende von Menschenleben stehen auf dem Spiel.
Viele gutgläubige Bemühungen vieler Parteien um einen Waffenstillstand in der Ukraine sind gescheitert.
Ich rufe heute zu einer viertägigen humanitären Pause in der Karwoche auf, die am orthodoxen Gründonnerstag beginnt und bis einschließlich Ostersonntag, dem 24. April, andauert, um die Öffnung mehrerer humanitärer Korridore zu ermöglichen.
Die humanitäre Pause würde die notwendigen Bedingungen schaffen, um zwei wichtige Anforderungen zu erfüllen.
Erstens könnte allen Zivilpersonen, die bereit sind, die Gebiete der aktuellen und erwarteten Konfrontation zu verlassen, in Abstimmung mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz ein sicheres Geleit verschafft werden.
Zweitens wird eine Pause über die bereits stattfindenden humanitären Maßnahmen hinaus die sichere Lieferung lebensrettender humanitärer Hilfe an die Menschen in den am stärksten betroffenen Gebieten wie Mariupol, Cherson, Donezk und Luhansk ermöglichen.
Die Vereinten Nationen sind bereit, während dieses Zeitraums humanitäre Hilfskonvois in diese Gebiete zu entsenden. Wir sind dabei, den Parteien detaillierte Pläne vorzulegen.
Der Bedarf an humanitärer Hilfe ist enorm. Den Menschen fehlt es an Nahrungsmitteln, Wasser, Vorräten für die Behandlung von Kranken und Verwundeten oder einfach zum täglichen Überleben.
Mehr als 12 Millionen Menschen benötigen heute in der Ukraine humanitäre Hilfe. Davon befinden sich mehr als ein Drittel in Mariupol, Cherson, Donezk und Luhansk.
Wir rechnen damit, dass diese Zahl auf 15,7 Millionen ansteigen wird – was etwa 40 Prozent der ukrainischen Bevölkerung, die noch im Lande ist, entspricht.
Es gibt ein gewisses Maß an Fortschritt, auf dem man aufbauen kann. In den vergangenen sieben Wochen haben rund 2,5 Millionen Menschen Hilfe erhalten, darunter viele im Osten.
Aus all diesen Gründen, bei denen es um Leben und Tod geht, rufe ich Russen und Ukrainer auf, die Waffen ruhen zu lassen und für die vielen Menschen, die in unmittelbarer Gefahr sind, einen Weg in die Sicherheit zu bahnen.
Die viertägige Osterzeit sollte ein Moment sein, in dem sich alle zusammentun, um Leben zu retten und den Dialog zu fördern, damit das Leiden in der Ukraine beendet wird.
An diesem Morgen hat unser Nothilfekoordinator Martin Griffiths den Ukrainischen Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften, in dem orthodoxe, katholische, protestantische, muslimische und jüdische Glaubensverantwortliche vertreten sind, in Kenntnis gesetzt. Ich begrüße ihre Unterstützung.
Im Geist der Karwoche und all dessen, wofür sie steht, rufe ich alle Parteien und alle Verfechter des Friedens auf der ganzen Welt auf, sich meinem Osterappell anzuschließen und Menschenleben zu retten, dem Blutvergießen und der Zerstörung ein Ende zu setzen sowie ein Fenster für Dialog und Frieden zu öffnen und dem Sinn und der Botschaft von Ostern treu zu bleiben.
https://unis.unvienna.org/unis/de/pressrels/2022/unissgsm1229.html
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