Tipps von SOS-Kinderdorf-Expert*innen
Schon die Kleinsten können etwas tun
„Mama, Papa, warum ist Krieg?“ Seit einem Monat entkommen
weder Erwachsene noch Kinder neuen Nachrichten vom „Krieg in Europa". Wer
Kindern verschweigt, dass es Gewalt und Konflikte gibt, verschweigt ihnen die
Wahrheit, sagt Lars Becker, Einrichtungsleiter des SOS-Kinderdorfes Bremen und
promovierter Sonderpädagoge. „Kinder haben feine Antennen. Bereits im
Kindergartenalter bemerken sie, wenn die Eltern etwas beschäftigt“, weiß auch
seine Kollegin Ulrike Glingener, die als Sozialpädagogin auf Kleinkinder
spezialisiert ist. Sie rät Eltern: Sorgen in einfachen Worten ansprechen und
dabei immer vermitteln, dass man für sie da ist. Auch für Kleinkinder gibt es
schon vielfältige Möglichkeiten, Solidarität zu zeigen und so den Sorgen
kindgerecht Raum zu geben. Für Eltern wie Kinder gilt derzeit aber auch: Es ist
wichtig und in Ordnung, Freude zu zeigen und sich auch mit schönen Dingen zu
beschäftigen.
Dramatisierende Bilder und Phantasien vermeiden
Eltern sollten bei ihren Erklärungen keine Details beschreiben – es reicht, eine kindgerechte und vor allem auch altersgemäße Erklärung zu geben, bekräftigt auch Sozialpädagogin Glingener. Ist dem Kind das Konzept von Tod und Leben vertraut, können Eltern den Tod von Soldaten auch benennen, andernfalls genüge es davon zu sprechen, dass sich Menschen sehr wehtun. „Holen Sie die Kinder in ihrer eigenen Lebenswelt ab und machen sie so die Situation für sie besser greifbar. Erklären Sie gerade kleinen Kindern, dass es zum Beispiel auch auf dem Spielplatz Streitigkeiten um Spielzeug oder ähnliches gibt“, rät sie.
Authentisch sein, ehrlich bleiben
Mit Kindern über den Krieg zu sprechen, erfordert einen für sie angemessenen Ton zu treffen: „Im Idealfall erleben Kinder ihre Eltern dabei als sachlich, stimmig, aber nicht emotionslos“, weiß Sonderpädagoge Becker. Wenn sie selbst Ängste haben, sollten sie dies ehrlich ausdrücken – wenn Erwachsenen nach Weinen zumute ist und sie immer nur lächeln, verwirrt dies die Kinder nur zusätzlich. „Indem wir darüber sprechen, werden die Ängste kleiner, denn wir alle merken, dass wir nicht allein sind“, erklärt seine Kollegin Ulrike Glingener und empfiehlt: „Kleinkinder besitzen noch so genanntes magisches Denken, was für sie bedeutet, dass sie mit ihrem Kuscheltier nachts einen Beschützer haben. Das sollten wir nutzen.“
Mit Kleinkindern Solidarität gegenüber Geflüchteten zeigen
Die Diplom-Sozialpädagogin aus der Frühberatungsstelle Süd
des SOS-Kinderdorfes Bremen appelliert an alle Eltern: „Sie können darin den
Kindern Vorbild sein, bewusst die Gedanken auf anderes zu lenken oder
Solidarität zu zeigen, indem sie zum Beispiel Friedenszeichen malen und ans
Fenster hängen oder gemeinsam Sachspenden vorbereiten. Bei uns im
Quartierszentrum haben Kinder ein PEACE-Bild aus Lego gebaut. So können schon
die Kleinsten ihre Meinung kundtun und merken: Auch ich kann etwas tun. Das
hilft allen – ob Groß oder Klein.“
Expert*innen-Tipps zum Thema „Mit kleinen Kindern über den
Krieg sprechen“ im Überblick:
Selbst Kleinkinder bekommen mit, wenn Erwachsene etwas
beschäftigt. Daher gilt auch beim Ukraine-Krieg: Wenn sich Eltern Sorgen
machen, sollten sie Kindern in einfachen Worten sagen, was sie befürchten und
klar signalisieren, was sie tun, um sich und die Kinder zu beschützen.
Sie müssen keine Details beschreiben. Es genügt zu sagen,
dass Häuser zerstört und Menschen verletzt oder getötet wurden und dass die
Menschen aus der Ukraine Angst haben und Schutz suchen. Erklären Sie auch, dass
die Menschen daher ihre Städte verlassen müssen und neue Wohnungen benötigen.
Für Kinder, egal welchen Alters, ist es wichtig, dass die
Eltern untereinander stimmig bleiben – das gilt übrigens auch in anderen
schwierigen Lebensphasen wie Krankheit oder Tod in der Familie.
Wenn Erwachsenen nach Weinen zumute ist, sollten sie dies
tun – alles andere würde Kinder verwirren. Sie spüren, was ehrlich ist und was
gespielt.
Es ist in Ordnung und wichtig, sich abzulenken und sich
nicht nur mit Angst zu beschäftigen.
Bei Geschwisterkindern: Besprechen Sie bei einer Tasse Tee
oder Kakao gemeinsam und in Ruhe, wer was gehört hat, wer was weiß oder wissen
möchte.
Holen Sie die Kinder in ihrer eigenen Lebenswelt ab:
Erklären Sie kleinen Kindern, dass es auch auf dem Spielplatz Streitigkeiten
gibt. So machen sie die Situation für diese besser greifbar.
Mit älteren Kindergarten- und Grundschulkindern macht es
Sinn, gemeinsam Kindernachrichten (zum Beispiel „logo!“) zu schauen. Falls
nötig, liefern Sie kindgerechte und altersangemessene Erklärungen nach.
Den Kindern, egal welchen Alters, Ängste keinesfalls
ausreden. Im Gegenteil: Fragen Sie, was helfen würde, dass sie sich sicher
fühlen!
Genau wie bei uns Erwachsenen: Sobald wir darüber reden,
werden die Ängste kleiner, denn dies löst mindestens die Sorge, mit den
Problemen allein zu sein.
Bei Kleinkindern „magisches Denken“ nutzen: mit ihren
Kuscheltieren haben sie Beschützer, die auf sie aufpassen und vor bösen Träumen
bewahren
Falls die Kindern Bedenken äußern, der Krieg käme auch zu
uns: Signalisieren Sie, dass wir uns über das Weltgeschehen informieren und
versuchen, Einfluss zu nehmen – indem wir unseren Willen öffentlich bekunden,
zum Beispiel über Leserbriefe oder Demos.
Auch Kindergartenkinder können ihre Solidarität ausdrücken,
zum Beispiel mit selbst gemalten Friedenszeichen oder Sachspenden.
SOS
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