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Montag, 2. Mai 2022

Human Rights Watch: Ukraine: Ungleiche Behandlung von Ausländer*innen bei der Flucht. Ausreise von Nicht-Ukrainer*innen wird blockiert oder verzögert

 

(Mailand) - In der Ukraine lebende Ausländer*innen wurden ungleich behandelt und aufgehalten, als sie versuchten, zusammen mit Hunderttausenden von Ukrainer*innen vor dem Krieg zu fliehen, so Human Rights Watch heute. Befragungen von drei Dutzend Ausländer*innen, darunter viele internationale Studierende, ergaben, dass Ausländer*innen der Zugang zu Bussen und Zügen versperrt oder verzögert wird, offenbar um der Evakuierung ukrainischer Frauen und Kinder Vorrang zu geben.

 

Die ukrainischen Behörden haben erklärt, dass sie sich des Problems bewusst sind und Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ausländische Staatsangehörige das Land verlassen können. Am 2. März 2022 gab Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter bekannt, dass die Regierung eine Hotline für ausländische Studierende eingerichtet hat, die die Ukraine verlassen wollen.

 

„Es ist eine erschütternde Situation für alle, die versuchen, sich in Sicherheit zu bringen, und alle, die vor dem Krieg fliehen, egal woher sie kommen, sollten die Möglichkeit haben, das Land zu verlassen“, sagte Judith Sunderland, stellvertretende Direktorin für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch. „Die ukrainischen Behörden sollten nicht nach Nationalität oder ethnischen Gesichtspunkten diskriminieren, und die Nachbarländer sollten alle mit einem Minimum an Bürokratie einreisen lassen.“

 

Eine Woche nach Beginn der Invasion, die durch schwere Verstöße gegen das Kriegsrecht gekennzeichnet ist, sind eine Million Menschen über die Grenzen in die Nachbarländer Polen, Ungarn, Slowakei, Rumänien und Moldawien geflohen. Alle erleben Angst und Not, während sie darum kämpfen, einen Weg zur Grenze zu finden, lange Schlangen bei eisigem Wetter zu überstehen und sich von ihren Angehörigen zu verabschieden. Nach dem Einmarsch der russischen Armee am 24. Februar wurde das Kriegsrecht verhängt. Danach unterliegen ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren der Wehrpflicht und dürfen das Land nicht verlassen.

 

Die Ukraine ist seit langem ein Ziel für Studierende und Migrant*innen aus der ganzen Welt. Nach Angaben der Regierung aus dem Jahr 2020 hielten sich 80.000 internationale Studierende im Land auf, wobei die meisten aus Indien, Marokko, Aserbaidschan, Turkmenistan und Nigeria kamen. Diese Studierenden und Menschen aus zahlreichen Ländern, die zum Arbeiten in die Ukraine eingewandert sind, versuchen nun verzweifelt, aus einem Kriegsgebiet zu entkommen.

 

Nach Angaben der Vereinten Nationen gab es bis zum 1. März 752 zivile Opfer, darunter 227 Todesopfer. Sie kamen zu dem Schluss, dass die meisten Opfer durch „den Einsatz von Explosivwaffen mit großer Reichweite“ verursacht wurden, darunter Beschuss durch schwere Artillerie, Mehrfachraketen und Luftangriffe. Human Rights Watch hat Beweise dafür gefunden, dass die russischen Streitkräfte Streumunition und Explosivwaffen in bewohnten Gebieten eingesetzt haben, was zu Opfern unter der Zivilbevölkerung und erheblichen Schäden an der zivilen Infrastruktur führte.

 

Ukrainische Behörden sollten die Ausreiseverfahren für alle Menschen, die aus der Ukraine fliehen, vereinfachen und beschleunigen und die Gleichbehandlung von Ukrainer*innen und ausländischen Staatsangehörigen sicherstellen, so Human Rights Watch. EU-Agenturen sollten zur Unterstützung an den Grenzen eingesetzt werden, und sowohl die EU als auch die Ukraine sollten grundlegende humanitäre Hilfe für die in den Grenzgebieten auf ukrainischer Seite gestrandeten Menschen sicherstellen.

 

Human Rights Watch befragte ausländische Staatsangehörige aus nordafrikanischen Ländern, afrikanischen Ländern südlich der Sahara und Indien an der polnischen Grenze, in Lwiw, einer ukrainischen Stadt etwa 75 Kilometer von der Grenze entfernt, und per Telefon zu den Schwierigkeiten, beim verlassen des Landes.

 

Barn, ein 22-jähriger indischer Medizinstudent in Dnipro, der seinen vollen Namen nicht nennen wollte, sagte, dass die Polizei ihn und sechs weitere Personen am 26. Februar nicht in den Zug einsteigen ließ. „Vier Züge kamen und fuhren wieder ab und sie ließen uns nicht einsteigen“, sagte er. „Sie [die Polizei] sagten uns, dass nur Ukrainer tagsüber mit den Zügen fahren könnten und dass Ausländer nur nachts in die Züge gelassen würden. Wir kamen um 7 Uhr morgens am Bahnhof an und durften erst um 19:30 Uhr in einen Zug steigen.“

 

Ein nigerianischer Student sagte, er gehöre zu einer Gruppe von etwa 20 Ausländer*innen, darunter Menschen aus Equador und Marokko, die am 26. Februar in Kiew aus einem Zug gedrängt wurden. „Die Polizei kam herein und ... zog und schubste mich und fragte, ob ich nach Lwiw oder Polen wolle. Ich sagte Polen und sie sagten mir, ich solle aussteigen.“

 

Mourad Hajri, ein 22-jähriger Marokkaner, der in Charkiw in der Ostukraine in der Nähe Russlands Tiermedizin studiert, machte sich in der Nacht des 26. Februar mit dem Zug, einem Taxi und dann 11 Stunden zu Fuß auf den Weg zur polnischen Grenze. „Die ukrainischen Soldaten und ihre Hilfskräfte haben nichts getan, um das Chaos einzudämmen“, sagte er. „Alles, was sie taten, war, jedes Mal, wenn sich ein mit Ukrainern gefüllter Bus der Grenze näherte, gewaltsam einen Weg zu öffnen. Diese wurden problemlos hineingelassen und fuhren ohne Probleme nach Polen. Aber für alle anderen, einschließlich uns, war es sehr kompliziert. Sie mussten sich den Weg freikämpfen.“

 

Rugiatu Faith Maxey, 22, eine US-Bürgerin aus Sierra Leone, war in der Ukraine zu Besuch bei ihrem Verlobten aus Sierra Leone in Dnipro. Sie sagte, der Fahrer eines Linienbusses habe durchgesagt, „alle Schwarzen müssen den Bus verlassen“, als sie sich der Grenze zu Polen näherten. Sie blieb im Bus, nachdem ihre Gruppe und ukrainische Fahrgäste protestiert hatten. „Schließlich wurden wir in der Reihe mit den Ukrainern durchgelassen, aber wir mussten wirklich darauf drängen, und es war hilfreich, dass ich Amerikanerin war und die Botschaft eingeschaltet habe“, sagte sie.

 

Die Afrikanische Union gab am 28. Februar eine Erklärung ab, in der sie „alle Länder auffordert, das Völkerrecht zu respektieren und allen Menschen, die vor einem Krieg fliehen, ungeachtet ihrer ethnischen Identität [im englischen Original: racial identity] das gleiche Mitgefühl und die gleiche Unterstützung zukommen zu lassen“. Mehrere Regierungen, deren Staatsangehörige sich in der Ukraine aufhalten, haben sich besorgt über deren Behandlung und die Hindernisse bei der Ausreise geäußert. Der nigerianische Außenminister teilte den Medien am 1. März mit, er habe mit den ukrainischen und polnischen Behörden darüber gesprochen, sicherzustellen, dass Nigerianer*innen die Grenze passieren können.

 

Bei der Sitzung der Generalversammlung am 2. März sagte der ständige Vertreter Indiens bei den Vereinten Nationen: „Wir fordern eine sichere und ununterbrochene Ausreise für alle indischen Staatsangehörigen, einschließlich unserer Studierenden, insbesondere aus Charkiw und anderen Konfliktgebieten.“ Tausende von Inder*innen wurden evakuiert, nachdem sie die Grenze zu den Nachbarländern überschritten hatten.

 

Am 3. März äußerten UN-Experten „ernste Besorgnis [über] anhaltende Berichte über Menschen afrikanischer Abstammung und ethnischer Minderheiten [im englischen Original: racial and ethnic minorities], die während ihrer Flucht aus der Ukraine diskriminiert werden“, und erinnerten daran, dass „das Verbot der Rassendiskriminierung ein Grundrecht des Völkerrechts ist, das in allen Konflikt- und Friedenssituationen gilt.“

 

Andriy Demchenko, ein Sprecher des staatlichen Grenzschutzes der Ukraine, erklärte gegenüber Human Rights Watch, dass die Behauptungen über die ungerechte Behandlung von Ausländern „nicht der Wahrheit entsprechen“. Er behauptete, dass „ukrainische Grenzschutzbeamte nicht auf die Nationalität oder die Farbe der Pässe achten“, und sagte, dass Staatsangehörige aus anderen Ländern „versuchten, vorzudringen und bevorzugt behandelt zu werden“.

 

Am 1. März gaben neun ukrainische Menschenrechtsorganisationen eine Erklärung ab, in der sie die Behörden aufforderten, „allen Fällen von persönlicher oder institutioneller Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus entgegenzuwirken“ und die Herkunfts- und Nachbarländer der Ukraine aufzufordern, Menschen die Ausreise aus dem Kriegsgebiet zu erleichtern. In einem Tweet vom 1. März erklärte Minister Kuleba: „Afrikaner, die evakuiert werden wollen, sind unsere Freunde und müssen die gleichen Möglichkeiten haben, sicher in ihre Heimatländer zurückzukehren. Die ukrainische Regierung scheut keine Mühe, um das Problem zu lösen.“

 

Am 3. März stimmten die EU-Mitgliedstaaten dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom 2. März zu, erstmals die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz auszulösen, die einen vereinfachten, pauschalen Schutz für bis zu drei Jahre für Menschen ermöglicht, die durch den Krieg in der Ukraine vertrieben wurden. Darunter fallen Drittstaatenangehörige, die seit langem in der Ukraine ansässig sind, sowie Staatenlose und ukrainische Staatsangehörige.

 

Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten sollten den ukrainischen Behörden gegenüber klarstellen, dass alle nicht-ukrainischen Staatsangehörigen, einschließlich Menschen ohne gültige Reisedokumente, Zugang zum EU-Gebiet erhalten. Dort sollte sie entweder vorübergehenden Schutz zu genießen oder Schutz aus humanitären Gründen, einschließlich einer sicheren Überfahrt oder Rückführung in ihre Herkunftsländer, so Human Rights Watch. Die EU-Länder sollten Personen, deren Leben oder Freiheit bedroht ist, nicht in ihre Herkunftsländer zurückschicken. Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, um eine gerechte Verteilung der Verantwortung auf alle Mitgliedsstaaten durch einen effizienten und fairen Umsiedlungsplan zu gewährleisten, der familiäre Bindungen und, soweit möglich, individuelle Präferenzen berücksichtigt.

https://www.hrw.org/de/news/2022/03/04/ukraine-ungleiche-behandlung-von-auslaenderinnen-bei-der-flucht

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Gedanken zu Krieg und Frieden in Gedichten

Gedanken zu Krieg und Frieden in Gedichten

Lesja Ukrainka „Hoffnung“

Kenn weder die Freiheit noch Freude und Glück, Im Herzen blieb mir nur die Hoffnung zurück. Die Heimat noch einmal wiederzusehen, Wo Winde und Stürme die Hüttenumwehen, Zu sehen den Dneper durchbrausen die Ferne – Ach, leben und sterben möcht‘ ich dort so gerne, – Die Steppen zu sehen, der Trauben Geranke Und dort auch zu denken den letzten Gedanken. Kenn weder die Freiheit noch Freunde und Glück, Im Herzen blieb mir nur die Hoffnung zurück. Lutzk, 1880

Der höhere Friede

Wenn sich auf des Krieges Donnerwagen Menschen waffnen, auf der Zwietracht Ruf, Menschen, die im Busen Herzen tragen, Herzen, die der Gott der Liebe schuf: Denk' ich, können sie doch mir nichts rauben, Nicht den Frieden, der sich selbst bewährt, Nicht die Unschuld, nicht an Gott den Glauben, Der dem Hasse wie dem Schrecken wehrt; Nicht des Ahorns dunkelm Schatten wehren, Daß er mich im Weizenfeld erquickt, Und das Lied der Nachtigall nicht stören, Die den stillen Busen mir entzückt. Heinrich von Kleist (1777 - 1811)

Contra Spem Spero. "Gegen die Hoffnung hoffe ich"

O fort mit dir, herbstliches Klagen! Die Tage des Frühlings beginnen! Soll denn in Verzweiflung Verzagen Die sonnige Jugend zerrinnen? Ich will aber Frohsinn, nicht Beben, Mein Lied soll im Unglück ertönen, Auch hoffnungslos hoff ich im Leben, - O fort mit Euch, Ächzen und Stöhnen! Ich pflanze auf steinigem Felde Viel Blumen, die rot sind und weiß, Ich pflanze bei frostiger Kälte Sie alle auf Schnee und auf Eis. Mit heißen Tränen begieße Ich sie bei klirrendem Frost, Das Eis zergeht, vielleicht sprießen Sie doch auf, und das ist mein Trost. Ich schleppe aufs steilste Gebirge Viel klobige Steine und singe, Sonst würden die Schreie mich würgen, Die in die Kehle mir dringen. Ich schließe die Augen auch nimmer Und schaue ins Dunkel ganz wach, Ich suche des Sternes Erschimmern, Des Königs der finsteren Nacht. Drum will ich stets Frohsinn, nicht Beben, Mein Lied soll im Unglück ertönen, Auch hoffnungslos hoff ich im Leben, - O fort mit Euch, Ächzen und Stöhnen! Lesja Ukrajinka (Pseudonym) *25.02.1871 - † 01.08.1913 (Übersetzerin Jona Gruber)

Der Antritt des neuen Jahrhunderts

Edler Freund! Wo öffnet sich dem Frieden, Wo der Freiheit sich ein Zufluchtsort? Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden, Und das neue öffnet sich mit Mord. Und das Band der Länder ist gehoben, Und die alten Formen stürzen ein; Nicht das Weltmeer hemmt des Krieges Toben, Nicht der Nilgott und der alte Rhein. Zwo gewaltge Nationen ringen Um der Welt alleinigen Besitz, Aller Länder Freiheit zu verschlingen, Schwingen sie den Dreizack und den Blitz. Gold muß ihnen jede Landschaft wägen, Und wie Brennus in der rohen Zeit Legt der Franke seinen ehrnen Degen In die Waage der Gerechtigkeit. Seine Handelsflotten streckt der Brite Gierig wie Polypenarme aus, Und das Reich der freien Amphitrite Will er schließen wie sein eignes Haus. Zu des Südpols nie erblickten Sternen Dringt sein rastlos ungehemmter Lauf, Alle Inseln spürt er, alle fernen Küsten – nur das Paradies nicht auf. Ach umsonst auf allen Länderkarten Spähst du nach dem seligen Gebiet, Wo der Freiheit ewig grüner Garten, Wo der Menschheit schöne Jugend blüht. Endlos liegt die Welt vor deinen Blicken, Und die Schiffahrt selbst ermißt sie kaum, Doch auf ihrem unermeßnen Rücken Ist für zehen Glückliche nicht Raum. In des Herzens heilig stille Räume Mußt du fliehen aus des Lebens Drang, Freiheit ist nur in dem Reich der Träume, Und das Schöne blüht nur im Gesang. Friedrich von Schiller (1759 - 1805).

Aus dem Zyklus "Melodien" von Lesja Ukrajinka

Verbrenne mein Herz, Yogo hat Feuer gelegt Es tut mir leid für die heiße Iskra des Stocks. Warum weine ich nicht? Mit klarer sloz Warum werde ich keine schreckliche Mode gießen? Meine Seele weint, meine Seele ist zerrissen, Dass Slyosi nicht in einem reißenden Strom eilen Erreiche meine Augen nicht, wenn du schläfst, Bo trocken їkh fest in einem Feuer entzünden. Ich möchte auf ein sauberes Feld gehen, Leg dein Gesicht auf die graue Erde І so zaridati, so morgens pochuli, Schaob-Leute zhahhivshis auf meinen. *** Mein Herz brennt - ein heißer Funke Sorgen leuchteten auf, versengten mich. Also, warum weine ich nicht, was ist mit Tränen? Ich habe es nicht eilig, sie mit bösem Feuer zu füllen? Meine Seele weint in unausweichlicher Sehnsucht, Aber Tränen fließen nicht in einem lebendigen Strom, Brennende Tränen erreichen die Augen nicht, Der Kummer entwässert sie mit seiner Hitze. Ich möchte hinaus ins freie Feld, Auf den Boden kauern, um sich daran zu kuscheln Und schluchz, damit die Sterne hören Damit die Welt von meiner Traurigkeit entsetzt ist. Übersetzung von V. Zvyagintseva

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