Stuttgart – Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat anlässlich des 40. Deutschen Psychotherapeutentags (DPT) in Stuttgart ein Sofortprogramm für psychisch kranke Menschen angemahnt.
„Die Coronapandemie ist für viele Menschen mit erheblichen
psychischen Belastungen verbunden“, erklärte BPtK-Präsident Dietrich Munz
vorgestern. „Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag bereits
vereinbart, die Versorgung psychisch kranker Menschen zu verbessern. Damit dies
gelingen kann, muss ein Gesetz noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht
werden.“
Das Gesetz solle vor allem regeln, dass die Wartezeiten auf
eine psychotherapeutische Behandlung sich verringern. Schon vor der
Coronapandemie warteten psychisch kranke Menschen häufig monatelang auf einen
psychotherapeutischen Behandlungsplatz. „Die Wartezeit wird sich durch die
zusätzlichen Patientinnen und Patienten noch einmal verlängern“, konstatierte
Munz.
1.600 zusätzliche Psychotherapeutensitze gefordert
Die BPtK fordert deshalb 1.600 zusätzliche
Psychotherapeutensitze insbesondere in ländlichen und strukturschwachen
Gebieten. Dies habe ein Gutachten des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) 2015
bereits als notwendig berechnet.
Davon stände rund jeder fünfte Sitz für die Versorgung von
Kindern und Jugendlichen zur Verfügung. „Damals wurden nur 870 Sitze
tatsächlich zugelassen“, sagte Munz. „Man kann nur hoffen, dass auf den
Versorgungsbedarf von Kinder und Jugendlichen auch regional angemessen
eingegangen wird, denn deren psychische Gesundheit hat in der Pandemie
besonders gelitten.“
Richtlinie zur Komplexversorgung schwer psychisch Kranker
überarbeiten
Weiter erwartet die Bundespsychotherapeutenkammer von der
Politik, den G-BA mit einer grundlegenden Überarbeitung seiner Richtlinie zur
Komplexversorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zu
beauftragen.
„Die neue G-BA-Richtlinie ist misslungen. Sie schreibt
überflüssige Mehrfachuntersuchungen vor, schränkt massiv die Zahl der
Psychotherapeuten und Ärzte, die die Planung und Koordination der
Gesamtbehandlung übernehmen können, ein und behindert eine aufsuchende
Behandlung“, erklärte BPtK Präsident Munz.
Der 40. DPT forderte entsprechend, die notwendigen
Voraussetzungen für die Realisierung der koordinierten, strukturierten
Versorgung zu schaffen. Dazu seien Nachbesserungen an der G-BA-Richtlinie sowie
ausreichende finanzielle Mittel notwendig.
Sprachmittlung für Psychotherapie Geflüchteter soll Leistung
der GKV werden
Seit Jahren setzt sich BPtK dafür ein, dass geflüchtete
Menschen auch angemessen psychotherapeutisch versorgt werden. Angesichts des
Angriffskrieges in der Ukraine werde der Versorgungsbedarf traumatisierter
Geflüchteter noch zunehmen.
„Psychotherapie ohne sprachliche Verständigung ist jedoch
nicht möglich, daher muss kurzfristig Sprachmittlung als Leistung der
gesetzlichen Krankenversicherung sichergestellt werden, forderte Munz.
Viele Migrantinnen und Migranten, aber auch die meisten
ukrainischen Flüchtlinge seien zwar gesetzlich krankenversichert, sie könnten
jedoch nicht psychotherapeutisch behandelt werden, da die gesetzliche
Krankenversicherung keine Sprachmittlung finanziert. Hierzu müsse eine
schnelle Regelung im Sozialgesetzbuch V gefunden werden.
Ausreichende Finanzierung der psychotherapeutischen
Weiterbildung
Schließlich forderte der 40. DPT, die Zukunft der
Psychotherapie zu sichern. „Die Reform der Psychotherapeutenausbildung ist
unvollendet. Es fehlt eine ausreichende Finanzierung der psychotherapeutischen
Weiterbildung“, sagte der BPtK-Präsident.
Damit Ende diesen Jahres die ersten Psychotherapeuten nach
Studium und Approbation die neue Weiterbildung beginnen können, um sich zu
Fachpsychotherapeuten für die Versorgung von Kindern, Jugendlichen
beziehungsweise Erwachsenen zu qualifizieren, müssten zeitnah die gesetzlichen
Grundlagen für eine finanzielle Förderung der Weiterbildung geschaffen werden.
Zu finanzieren seien eine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung und die notwendigen Weiterbildungsleistungen Theorie,
Supervision und Selbsterfahrung. Nur mit einem ausreichenden finanziellen
Zuschuss können entsprechende Stellen für Psychotherapeuten in Weiterbildung in
den Weiterbildungsambulanzen und -praxen geschaffen und vergütet werden,
erklärten die Delegierten des 40. Deutschen Psychotherapeutentags. ©
PB/aerzteblatt.de
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen